Mittwoch, 18. April 2012

Die Zweite Liebe für Einen

Es ist merkwürdig, und ich weiß nicht, ob in einem positiven Sinne.

Wenn ich daran denke, wie ich Dich früher geliebt habe, dann muss ich ganz viel ausradieren von dem, was ich heute von Dir weiß.

Ich weiß, dass Du gemein sein kannst, verletzend und rau, dass Du barsch sein kannst und manchmal verständnislos für Dinge, die mir sehr wichtig sind.

Früher war ich um dieses Wissen ärmer. Und meine Liebe um diese Unkenntnis reicher.

Ich liebte Dich aus einer einfarbigen hellen Direktheit heraus. Ahnungslos darüber, wer Du bist, konnte ich alles an Dir lieben, Dich ganz verehren mit allem, was da kommen mag. Mit tiefer Ruhe in allem Drängen und Begehren.

Heute liebe ich Dich wohl mehr als damals. Aber: mit Narben auf der Netzhaut. Die Landschaft meiner Liebe hat ausgedörrte Felder, und neben Blumenwiesen schlummern Vulkane, die manchmal grollen und Feuer in den Himmel speien.

Ich kann nicht sagen, welche Liebe reiner ist, welche wahrer. Die erste Liebe war eindeutig und hatte eine sehr glatte Oberfläche.
Die zweite ist so viel komplizierter. Manchmal denke ich an Dinge, die du gesagt hast und die Erinnerung selbst tut weh, sodass ich wütend auf Dich werde, wenngleich es vielleicht ein Jahr zurückliegt. Und manchmal wünschte ich, solche Erinnerungen nicht zu haben - Dich immer noch aus derselben Fraglosigkeit und Bedeutungslosigkeit zu lieben wie damals.
Aber das fortschreitende Leben gibt diesen Weg nicht frei.

Ich kann Dich heute nur so lieben wie heute: mit allen Brüchen, allen meinen Traurigkeiten, den fallenden Blüten der alten Gärten.
Und doch entwickelt sich die Landschaft meiner Liebe, die Wege setzen sich fort hinter dem Horizont. Ich kann mit dem Finger Linien in die Luft malen, die zu Luftschlössern werden, und obwohl ich Dich manchmal schütteln möchte vor Wut und vor Enttäuschung über die Lebenstatsache, Dich nicht immer in der uneingschränkten Reinheit lieben zu können - trotzdem sehe ich überall deine Fußspuren und ahne nicht nur an jedem Sonnentag, dass es Dein Duft ist der den Himmel und die Erde so süß macht.

Ich gestehe, dass ich, wenn auch selten, Angst habe, dass der Vulkan ausbricht und viel mehr verschlingt, als ich ahnen konnte. Aber dazu müsste er noch viel mehr zum Broden gebracht werden. Und die Witterung spricht dagegen.

Denn die meisten Tage spüre ich die Hitze der Sonne und möchte seufzen vor freudiger Bewegung. Ich bin so bereit für Dich zu blühen und Dir all meine Unstimmigkeiten und all meine Zerstreutheiten zu gestehen, mich Dir als nacktes Ganzes zu geben und lieben zu lassen, Dich zu lieben, mit all deinen Unverständlichkeiten und Unzulänglichkeiten, meinen Obwohls. Ja ich spüre den Willen und auch die Kraft für Dich einen ganzen Wald zu pflanzen und zu pflegen.

Lass mich die Vegetation dieser Liebe düngen mit meiner Ehrlichkeit und das Unkraut lass wachsen, es wird nicht Überhand gewinnen.

Positiv merkwürdig, den Satz schreibe ich in weißer Reinheit und Klarheit trotz allem: Es wird nicht Überhand gewinnen.

Hatte ich nicht auch damals Recht in der zugestandenen Naivität meiner uneinschränkbaren Liebe? Ich liebe Dich doch - vernarbt, aber uneingeschränkt, in allem wie du bist und atmest, wie Du dich bewegst und lachst und Dich mir entblößt als so wahrhaftig und ungeschminkt, zerzaust und bedürftig, grummelig und unnahbar, und doch so tatsächlich wunderbar und so wunderbar tatsächlich -- wenn du im stillen Morgen kaum erwacht halb blinzelst und einfach lächelst, nur weil ich Da bin und mit dieses unnachahmliche Glück bestätigst, dass es das Wichtigste ist, dass wir zusammen sind, dann spüre ich es doch, dann weiß ich, weiß auch jetzt:

Ich liebe Dich auf den anderen zweiten Blick - aber noch genauso uneingeschränkt wie auf den ersten.

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